Wie wird man Modellbahner?

Es begann 1964. Mein Großvater meinte, der Enkel bräuchte eine elektrische Eisenbahn. Mein Vater war anderer Meinung, hatte er selber doch nie eine gehabt, gab aber nach und entdeckte bald darauf seine Bastelneigung.


Eisenbahn 1964Die erste "Anlage" wurde provisorisch auf einem umgeklappten Sofa oder auf dem Teppich aufgebaut, eine kleine Acht mit Ausweichgleis, einem kleinen Bahnhof und ein paar Häuschen. Die beiden ersten Fahrzeuge, eine BR24 (3003) mit drei Wagen und der Schienenbus (3016), existieren heute noch und laufen, mit moderneren Motoren und auf Digital umgebaut, noch immer.

Bald darauf zog die Bahn ins Kinderzimmer um, wo sie auf wenig Raum fest installiert wurde. Angesichts der kleinen verfügbaren Fläche wurde die dritte Dimension stärker ausgenutzt. Es entstanden abenteuerliche Gebirge, die Lummerland als Vorbild hätten dienen können. Der Fuhrpark wuchs um eine V200 (3021) und weitere Wagen. Auch die V200 ist heute noch im Einsatz, ebenfalls modernisiert.

 modellbahn 1965

 

 

 

 

 

 Der Anfang, 1964

 

 

 

 

 Erste kleine Modellbahn, 1965

 

 

 

Nach einem Umzug und einer kleinen Pause fand eine vergrößerte Anlage ihren Platz in einem Hobbykeller. Nun entstand etwas, dass man schon ein bißchen als "Modellbahn" bezeichnen konnte. Es mussten weiterhin Kompromisse eingegangen werden. Damit drei Kinder gleichzeitig und unabhängig spielen konnten, wurden drei Schienenkreise geschaffen, die jeweils einen eigenen Trafo hatten (Digital gab es ja noch nicht). Es kam die Faller-AMS-Autobahn hinzu. Die Fahrzeuge waren zwar etwas größer als H0 und die Führungsrillen in der Straße sahen nicht sehr vorbildlich aus, aber mit Autoverladung auf Güterwagen und voll funktionsfähigem Container-Terminal hatte sie einen enorm hohen Spielwert.

Wie in vielen anderen Fällen auch, mangeltes es im Laufe der Zeit auch mir an Zeit, Geld, Platz und Interesse für eine echte Modellbahn-Anlage. So wurde sie eines Tages zerlegt und auf dem Dachboden eingelagert.
Erst Ende der 1990er Jahre wurde ich wieder auf die Bahn aufmerksam, als ich mich, durch ein Schaufenster neugierig geworden, in einem Spielwarenladen über den aktuellen Stand von Modellen und vor allem die mir noch unbekannte Digitaltechnik informierte.

Ein etwas größerer Kellerraum im eigenen Haus machte es schließlich möglich, den alten Traum wieder aufleben zu lassen und eine richtige Modellbahn aufzubauen. Der alte Fuhrpark und die Kunststoffgleise bildeten die grundlage, auf die M-Gleise habe ich verzichtet. In den sichtbaren Bereichen habe ich allerdings neue K-Gleise verwendet, die besser aussehen und nicht dunkel anlaufen. Die Steuerung erfolgt sowohl von Hand als auch durch ein PC-Programm. Dazu habe ich die alten Fahrzeuge auf Digital-Betrieb umgebaut und bei Neuanschaffungen auf analoge Modelle verzichtet (mittlerweile ist Digital ja Standard).

 Modellbahn 2014

Modellbahn 2014, "etwas" größer

 

Warum Märklin?

Eines vorab: Ich bin kein "Märklinist". Die Gleise und der überwiegende Teil des rollenden Materials stammen zwar aus dem Hause Märklin, es fahren aber auch Modelle anderer Hersteller auf der Anlage. An den Glaubenskriegen darüber, welcher Hersteller der Beste ist, habe ich mich nie beteiligt.
Warum ich damals eine Märklin-Bahn geschenkt bekam, weiß ich nicht. Vielleicht hatte der Spielwarenhändler im Ort vorwiegend Märklin im Sortiment, vielleicht hat der unkomplizierte Aufbau und die Zuverlässigkeit des Dreileiter-Systems überzeugt. Die Lokomotiven galten als robust und langlebig, was meine alten Modelle, die noch immer im Einsatz sind, bestätigen.

Beim Neuanfang habe ich nach kurzer Überlegung entschieden, dabei zu bleiben. Ich wollte nicht auf die alten Loks verzichten, die sich nicht auf Zweileiter umbauen ließen, und das vorhandene Schienenmaterial nutzen. Vor allem gab es das K-Gleis als "Flexgleis", das sich nahezug beliebig biegen lässt und optisch ansprechendere Gleisführungen ermöglicht. So blieb ich "Zahnrad-Bahner" oder auch "Pickel-Bahner", wegen der Punktkontakte (Pukos) in den Schwellen. Trotzdem habe ich auch einige Modelle anderer Hersteller in meiner Sammlung, denn kein Hersteler kann alles abdecken und jeder hat seine Spezialitäten.
Und doch bekommt man oft genug Spott zu hören. Märklin-Modelle gelten häufig als qualitativ mittelmäßig, zu wenig vorbildgetreu und viel zu teuer. Doch wer einmal objektiv vergleicht, der wird feststellen, dass das so nicht stimmt und die Unterschiede zwischen den namhaften Herstellern nicht allzu groß sind. Natürlich darf man nicht eine einfache Spiellok für 3-5-Jährige mit einer feinst detaillierten Lok mit zahlreichen Anbauteilen vergleichen. Warum das "Märklin-Bashing" so beliebt ist, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Vermutlich liegt es daran, dass das Schlechtmachen von etwas oder jemandem, neudeutsch Bashing genannt, in Deutschland zum Volkssport geworden ist, an dem sich jeder beteiligt, der irgendetwas schon immer gewusst hat.
Wie die meisten Modellbahn-Hersteller hatte auch Märklin mit Absatzflauten und finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Darunter hatten Qualität und Service gelitten und es bleibt zu hoffen, dass es nun nach dem Verkauf der Firma wieder besser wird. Auch andere Fabrikanten sahen sich gezwungen, in China fertigen zu lassen, was zu ähnlichen Problemen führte.
Das mit der Vorbildtreue ist so eine Sache. Irgendwelche Abweichungen wird es immer geben und oft sind auch Kompromisse notwendig, um einen vernünftigen Betrieb zu ermöglichen. Auch beim Vorbild gibt es häufig leicht unterschiedliche Ausführungen einer Baureihe. So gesehen wird man immer eine Abweichung entdecken können. Mir ist es auch nicht so wichtig, ob bei meinem Triebwagen die Zahll der Nieten exakt stimmt, sondern ob ich freien Durchblick durch den Innenraum habe oder ob der Antriebsblock die Sicht versperrt.
Märklin gehört nicht zu den Billiganbietern, auch wenn es relativ günstige Einsteigermodelle gibt. Doch muss man auch bedenken, wie die Unterschiede zu Billigmodellen zustande kommen: Metall- statt Plastikzahnräder im Getriebe, passgenaue Zinkdruckguss-Gehäuse (bei einigen Modellen) statt schlecht sitzender Plastikdeckel, angesetzte statt angespritze Details usw. Und dann ist da noch die Arbeit, die keine sehen will. In Deutschland sind die Lohnkosten nun einmal höher als in Fernost und die Montage einer großen Dampflok erfordert einige Stunden. Ich habe Leute getroffen, die einerseits über den "billigen China-Mist" klagten, andererseits die Wertarbeit aus Deutschland viel zu teuer fanden. Sie wollen deutsche Präzision zu chinesischen Preisen, und das geht eben nicht.

Wer bereit ist, über die Argumente und Begauptungen objektiv nachzudenken, wird bald erkennen, dass so manches haltlos ist.