Irrsinn Inside - Vom ganz normalen Wahnsinn in Unternehmen

Vorwort

Was an dieser Stelle beschrieben wird, beruht auf wahren Begebenheiten. Auch wenn vieles unglaublich erscheinen mag, so ist es doch nicht erfunden. Der hier beschriebene alltägliche Wahnsinn ist Realität in vielen Unternehmen auf der ganzen Welt. Es sind ebenso eigene Beobachtungen wie Erzählungen von Anderen, die ich für zuverlässig halte. Ich habe allerdings ein paar Dinge etwas verfremdet, so dass die betroffenen Unternehmen und Konzerne oder gar die handelnden Personen nicht erkannt werden können. Wenn Sie also meinen, Ihre Firma wiedererkannt zu haben, dann kann es durchaus sein, das es bei Ihnen nur genauso zugeht wie in vielen anderen Unternehmen aus den verschiedensten Branchen. Der Management-Wahnsinn ist ein weit verbreitetes Phänomen der modernen Wirtschaft.
Ich sammle weiterhin Anekdoten und Berichte über den täglichen Kampf gegen Fehlentscheidungen, Bürokratie und Mismanagement. Wer mag, der kann mir seine Erlebnisse zuschicken. Vertraulichkeit wird zugesichert.
 

2. Vorwort

Die Älteren (also meine Generation) werden ihn noch kennen: Dilbert, den Ingenieur mit der widerspenstigen Kravatte, der in einem amerikanischen Großraumbüro gegen den täglichen Wahnsinn ankämpft. Weltweit ist er für viele frustrierte Mitarbeiter größerer Unternehmen zur Kultfigur und zum Tröster geworden. Was er in seinen Kurzcomics erlebt, erscheint vielen von uns blödsinning und absurd, aber irgendwie auch seltsam vertraut. Fast jeder hat schon ähnliche Situationen erlebt und kommt zu dem Schluss, dass der Autor Scott Adams vieles davon selbst erlebt haben muss. Die Realsatire, die wir in vielen Firmen ständig erleben, kommt der Satire aus dem Comic ziemlich nahe.
Es geht hier nicht um die bekannten Fehler von Top-Managern, bei denen durch Fehleinschätzungen, Spekulationen, überteuerte Übernahmen oder gescheiterte Fusionen Milliarden vernichtet wurden. Es geht hier vielmehr um die wenig spektakulären Vorgänge hintern den glänzenden Fassaden, die zwar für sich viel weniger Schaden bewirken, aber durch ihre große Zahl und ihr häufiges Vorkommen die Unternehmen auf Dauer ebenfalls viel Geld kosten. Dieser oft institutionalisierte Wahnsinn geht nicht alleine vom oberen Management aus. Das mittlere Management ist genauso beteiligt.
"Manager" gelten allgemein als besonders kluge und fähige Leute. Schließlich kann nicht jeder etwas so komplexes führen wie ein Unternehmen. Man sollte also erwarten können, an der Spitze immer die besten Köpfe zu finden. Wenn man aber erlebt, welch haarsträubende Fehleinschätzungen und Pannen diesen Helden unterlaufen oder wie sie mit Methoden, die an Kindergarten-Spiele erinnern, versuchen, ihre Mitarbeiter zu den gewünschten Leistungen anzutreiben, dann fragt man sich: Wie konnten die da hinkommen? Es gibt zwei Erklärungen. Die eine ist das in der Wirtschaft bekannte "Peter-Prinzip", die andere das von Scott Adams erfundene "Dilbert-Prinzip".

Das Peter-Prinzip besagt, dass fähige Mitarbeiter so lange befördert werden, bis sie eine Position erreichen, für die ihre Kompetenz nicht mehr ausreicht. Als Folge davon sitzen an vielen wichtigen Stellen dann Inkompetente.

Das Dilbert-Prinzip sagt, dass unfähige Mitarbeiter gleich in höchste Ebenen befördert werden. Wer eine Weile in der freien Wirtschaft gearbeitet hat, kann durchaus zu dem Schluss kommen, dass an dem Dilbert-Prinzip etwas dran ist.

 

Ich habe noch eine weitere These anzubieten: In Management-Kreisen geht es zu wie in einer Herde von Tieren, nehmen wir einmal Hirsche. Da wird ständig um die Rangordnung gekämpft und darum, wer die meisten Weibchen abbekommt (bei Managern kann es auch das größte Auto oder Büro sein). Üblicherweise setzt sich der mit den größten Hörnern, dem größten Geweih oder den stärksten Muskeln durch, nicht aber unbedingt der intelligenteste. In freier Wildbahn ist das nicht so schlimm, solange die Herde genügend zu fressen hat. In einem Unternehmen kann es aber fatal sein.

Warum handeln Manager oftmals so befremdlich? Vorstände sind durch ihre Aktionäre, Anteilseigner und Aufsichtsräte aufgefordert, Jahr für Jahr höhere Gewinne und Profitabilität zu erbringen. Wenn es nicht gelingt, neue Geschäftsfelder zu erschließen, dann wird das zunehmend schwieriger, dann muss man intern optimieren. Und die Belegschaften sind leider nicht so blöd, wie man in den Chefetagen glaubt. Im Gegensatz zu den obersten Etagen eines Unternehmens wird an der Basis das Rad nicht regelmäßig neu erfunden, sondern ständig weiter entwickelt. Viele der tollen Optimierungsmaßnahmen laufen deshalb ins Leere. Irgendwann ist alles so weit optimiert, dass kaum noch etwas geht. Trotzdem müssen die Manager weitere Verbesserungen vorweisen. Das bringt sie dann oft auf die abenteuerlichsten Ideen.


Der Just-In-Time-Wahnsinn

"Just in time" bezieht sich auf den Bereich Logistik. Es bedeutet, dass Material und Teile immer dann angeliefert werden, wenn sie benötigt werden. Umgangssprachlich bedeutet es eher "gerade noch rechtzeitig". Erfunden wurde dieses Konzept in Japan. Das Ziel ist es, die Lagerhaltung zu minimieren, um Kosten und Platz zu sparen. Den Speditionen werden Zeitfenster für die Anlieferung zugeteilt, die einzuhalten sind. Kommt ein LKW zu früh an, dann muss er warten, bis er dran ist, kommt er zu spät, kann die Produktion zum Stillstand kommen. In Japan führte das schließlich dazu, dass manchmal drei LKW gleichzeitig auf verschiedenen Routen unterwegs waren, damit wenigstens einer pünktlich ankam, falls es Verkehrsbehinderungen gab. In Deutschland werden die Transporte eher frühzeitig auf die Reise geschickt. Das führt dann dazu, dass die Autobahnen in der Nähe großer Fabriken mit Lastwagen verstopft sind, die dort wie Flugzeuge in einer Warteschleife kreisen, bis ihre Abladezeit gekommen ist. Die Lager wurden vom Fabrikgelände auf die Straßen verschoben.
Dieser Wahnsinn spart zwar prinzipiell Lagerhaltungskosten, die nun auf die Spediteure abgewälzt wurden. Doch schon eine kleine Störung kann die Produktion zum Erliegen bringen. Die dann entstehenden Mehrkosten sind um ein Vielfaches höher als die Einsparungen.
Noch schlimmer wird es, wenn sich herausstellt, dass eine Lieferung nicht zu gebrauchen ist. Dann steht die Produktion, bis Ersatz eingetroffen ist.


Bürokratie-Wahnsinn

Hochqualifizierte Fachleute können vermutlich vieles besser und effizienter erledigen als eine Sekretärin oder Teamassistentin, z. B. eine Reiseabrechnung. Um ihnen die Arbeit weiter zu erleichtern, gibt man ihnen diverse Tools an die Hand, in die sich sich, da sie diese eher selten verwenden, ständig neu einarbeiten müssen. Zusätzliche Hilfestellung geben Anleitungen wie dieser Auszug aus einer "Anweisung zur korrekten Erstellung von Reiseabrechnungen":

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"Korrekt" bedeutet: ALLE Belege werden mit TESA aufgeklebt!
Preise:
Die Bearbeitung einer Reise kostet € 2,40
Nicht korrekt geklebte oder aufgeklebte Belege € 0,95 pauschal pro Abrechnung
"getackerte Abrechnungen" € 0,95 pauschal

Die Kosten werden der jeweiligen Abteilung in Rechnung gestellt.


Kosten senken - egal was es kostet

Viele deutsche Firmen sind in ihren Branchen Weltmarktführer oder wenigstens unter den ersten Zehn. Trotzdem klagen sie ständig, sie wären nicht wettbewerbsfähig. Die Lösung dafür: Die Kostenstruktur muss optimiert werden. "Wir müssen die Kosten senken und die Produktivität erhöhen" hören wir allzu oft aus den Führungsetagen. In den meisten Fällen verbirgt sich dahinter eine Umschreibung für Personalabbau oder Lohnkürzung. Weniger Mitarbeiter = weniger Kosten, die gleiche Arbeit auf weniger Mitarbeiter verteilen = höhere Produktivität. Für Normalsterbliche leicht einzusehen, aber für Manager nicht nachvollziehbar: Das kann nicht ewig gut gehen. Irgendwann sind die Mitarbeiter an der Grenze ihrer Belastbarkeit, und dann? Dann bleiben Aufträge liegen, es wird geschludert, die Qualität sinkt. Damit steigen wiederum die Qualitätskosten, zur großen Überraschung des Managements. Außerdem stellt sich dem unbefangenen Beobachter die Frage, ob es bisher zu viele Mitarbeiter gab und ob die nicht ausgelastet waren. Und vor allem, wie es dazu kommen konnte, trotz der modernen, tollen Managementstrategien, der Elite-Wirtschaftsschulen und der Unternehmensberater.
Manchmal haben Manager sogar lichte Momente. Das dokumentieren sie dann in Rundschreiben wie diesem an die leitenden Angestellten (Auszug): "Wir müssen kurzfristig sparen, selbst wenn das mittelfristig die Existenz unseres Bereichs gefährdet." Konsequenzen daraus zogen allerdings nur die leitenden Angestellten: ein guter Teil von ihnen suchte sich neue Jobs.
In seinem Bereich versucht nun jeder zu sparen, wo immer es möglich ist. Dabei versucht man üblicherweise nicht dort zu sparen, wo es am meisten bringt, sondern man fängt da an, wo es am einfachsten ist. Das ist zum Beispiel beim Büromaterial der Fall. Hier kann man leicht per "Ordre de Mufti" Druckerpapier, Schreibblöcke oder Kugelschreiber rationieren. Das mündet dann gelegentlich in offizielle Anweisungen an die Mitarbeiter, Kugelschreiber und Bleistifte während unvermeidlicher Dienstreisen aus den Hotels mitzubringen. Das bringt zwar nicht viel, aber man hat etwas getan.
Ein mittelständischer Maschinenbauer schaffte es über viele Jahre hinweg nicht, wesentlich mehr Gewinn als eine schwarze Null zu erzielen. Eines schönen Tages kam ein neuer Finanzvorstand ins Unternehmen. Der machte sich gleich daran, die Kostenstrukturen zu untersuchen. Er fand heraus, dass vor allem in Fertigung und Vertrieb Gewinne erwirtschaftet wurden, während Entwicklung und Qualitätssicherung nur Kosten verursachten, denen keine Einnahmen gegenüber standen. So schlug er in einer Vorstandssitzung vor, Entwicklungs- und Qualitätsabteilungen zu schließen und sich auf Produktion und Verkauf zu konzentrieren.
Zum Glück für das Unternehmen gab es noch einen Rest von Verstand bei den übrigen Vorständen und der Vorschlag wurde nicht umgesetzt. Der Finanzchef musste sich einen anderen Job suchen.
In Zeiten knapper Kassen werden die Lagerbestände ebenfalls als vermeintliche Stellschraube entdeckt. Lagerbestände gelten als "totes Kapital", das sich in der Bilanz nicht so gut macht. Folglich gibt es Vorgaben, die Bestände zum Monatsende oder zu einem bestimmten Stichtag möglich gering halten, eventuell sogar auf Null zu bringen. Die logische, aber ignorierte Konsequenz daraus sind Lieferengpässe in den folgenden Tagen, wenn der Produktion das Material ausgeht, weil die Bestände zu niedrig sind. Das muss dann durch Sonderschichten und Sondertransporte wieder ausgegelichen werden, mit erheblichem finanziellen Aufwand. Satte Mehrkosten, um kurzfristige Buchgewinne ausweisen zu können.
Ein Mitarbeiter eines größeren Elektro-Konzerns sollte dienstlich nach Fernost reisen. Er wählte einen Direktflug aus, weil das die schnellste Verbindung war. Ein Controller überprüfte den Reiseantrag, forschte selber nach und fand eine Umsteigeverbindung, die günstiger war. Der Mitarbeiter musste diese Route nehmen. Es fielen dadurch zusätzliche Fahrtkosten an ud er war einen Tag länger und unproduktiv unterwegs. Dafür konnten bei den Flugkosten immerhin rund 20€ gespart werden.
Ein internationales Industrieunternehmen hatte im Laufe der Jahre einige kleinere Unternehmen hinzugekauft und mehr oder weniger integriert. Ein Großprojekt erforderte es nun, dass mehrere dieser ehemals selbstständigen Bereiche, die auf mehrere Standorte in verschiedenen Ländern verteilt waren, zusammenarbeiten musste. Um bei der Integration Geld zu sparen, hatte man aber darauf verzichtet, die unterschiedlichen CAD-Systeme, die zueinander nicht kompatibel waren, auf ein gemeinsames System umzustellen. Man sparte sich so ein paar Milllionen. Weil nun der Informationsaustausch nicht richtig funktionierte, kam es zu Fehlern, nicht zusammenpassenden Einzelteilen und Verzögerungen. Die notwendige Nacharbeit, Regressforderungen von Kunden und die verspätete Markteinführung kosteten am Ende mehrere Milliarden und brauchten das Unternehmen an den Rand des Ruins.


Unternehmensberater als Alibi

Die Leitung eines Unternehmens ordnete an, dass ein bestimmter Bereich sparen müsse. Die Vorgabe wurde umgesetzt, indem die Bereichsleitung die Zahl der Mitarbeiter etwas reduzierte, einige auf längere Fortbildung schickte (staatlich gefördert) und auf neue Aufträge verzichtete, um Investitionen zu vermeiden. Schließlich beauftragte man noch eine Unternehmensberatung damit, die Situation zu analysieren und geeignete Vorschläge zu machen. Das Ergebnis war, welche Überraschung: Investitionen sollten reduziert und Mitarbeiter abgebaut werden. Die Leitung sah sich damit in ihrer Einschätzung bestätigt. Da es aber nicht mehr viel zu reduzieren gab, tat sich danach nicht mehr viel. Um die laufenden Kosten unter Kontrolle zu bekommen, wurde noch angeordnet, dass alle Bestellungen für Material und Dienstleistungen, die den Gegenwert von 100 € überschritten, von der Geschäftsleitung genehmigt werden mussten. Das galt auch für Investitionen aus bereits genehmigten Entwicklungsbudgets. Es stellt sich die Frage, ob sich die Geschäftsleitung eines Multimillionen-Unternehmens nicht um wichtigere Dinge kümmern sollte...
Die Leistung der Unternehmensberatung kostete übrigens mehr, als die Sparmaßnahmen am Ende einbrachten.


Verbesserungsvorschläge

In einem kleinen Kämmerchen sitzt ein halbes Dutzend hoch bezahlter Ingenieure, sehr nachdenklich, und gelegentlich ein paar Stichworte auf eher leere Blätter kritzelnd.
In einer Produktionslinie stauen sich die automatischen Transportbehälter vor einer Prüfstation, eine rote Warnlampe blinkt hektisch, ein Alarm quietscht empört. Niemand nimmt davon Notiz. Die Linienbetreuer sitzen in einem kleinen Kämmerchen, sehr nachdenklich, und gelegentlich ein paar Stichworte auf eher leere Blätter kritzelnd.
Ingenieure, die über einem neuen Produkt grübeln? Maschinenführer, die an einem innovativen Fertigungskonzept arbeiten? Nein, beide Gruppen produzieren massenhaft Verbesserungsvorschläge. Verbesserungen sind ja grundsätzlich eine gute Sache, doch hier geht es nicht um die Qualität, sondern um die Quantität. Der Vorstand hat das Ziel ausgegeben, dass im Durchschnitt jeder Mitarbeiter x Vorschläge pro Jahr machen soll. Die jeweiligen Führungskräfte werden u. a. daran gemessen, ob dieses Ziel erreicht wird. Also lassen sie auf Teufel komm raus Vorschläge produzieren, egal wie sinnlos die sein mögen und egal, was dafür an wirklich wichtigen Dingen liegen bleibt. Hauptsache, die geforderte Menge wird erreicht.
Bereichsleiter oder Vorstände glauben tatsächlich, dass man auf diese Weise größere Einsparungen erzwingen kann. Dabei wird erfahrungsgemäß nur ein kleiner Teil dieser Vorschläge realisiert, denn oft weisen Verbesserungsvorschläge auf Mißstände hin, die erst durch Fehlentscheidungen der Leitung entstehen konnten. Zudem sorgen in einen gut funktionierenden Unternehmen die Mitarbeiter selbst ständig dafür, dass Abläufe, Prozesse oder Produkte verbessert werden, weil sie es als Teil ihres Jobs ansehen. Nur tauchen diese auch wirklich eingeführten Verbesserungen in keiner Statistik auf und taugen somit nicht als Beurteilungskriterium für Vorgesetzte.

In einer Fabrik hatte man die Arbeitsgruppenleiter und die Meister in der Werkshalle mit schnurlosen Telefonen ausgestattet, damit sie besser erreichbar sind. Um noch etwas flexibler sein zu können, wurde der Werksleitung der Vorschlag unterbreitet, die Reichweite dieser Telefone durch die Installation eines Repeaters zu erhöhen. Der Vorschlag wurde abgelehnt, weil er zu teuer und zu aufwändig sei. Statt dessen bekamen die betroffenen Mitarbeiter nun Handys anstelle der Schnurlostelefone. Dummerweise hatte man nicht bedacht, dass durch die Stahlkonstruktion der Fabrikhalle, die Maschinen und Rohrleitungen in der Halle so gut wie kein Mobilfunk-Empfang möglich war. Die Mitarbeiter mussten nun zum Telefonieren vor die Tür gehen und waren ansonsten praktisch nicht mehr erreichbar...


Regulierungswahn

Im Bestreben, immer effizienter zu werden und immer bessere Produkte auf den Markt zu bringen, sind vor allem die großen Unternehmen immer mehr bemüht, ihre internen Abläufe, Prozesse genannt, zu optimieren. Das begann in den 1990er Jahren mit der Einführung der ISO9000-Zertifizierungen. Zweifellos macht es Sinn, Abläufe und Zuständigkeiten zu definieren und klar zu regeln. Doch man kann es auch übertreiben. Im Laufe der Jahre hat sich die Zertifizierungswelle zu einer gewaltigen Regulierungswoge entwickelt. Je größer das Unternehmen, desto größer die Regulierungswut. Wer einmal die Dienstvorschriften der Bundeswehr studiert hat, weiß, was das bedeutet: Für jeden Handgriff gibt es eine Anweisung oder Arbeitsbeschreibung, selbstständiges Denken der Mitarbeiter ist kaum noch erforderlich. Das bremst nicht nur die Kreativität und die Motivation, sondern führt auch zu einer ausufernden Bürokratie. Selbstverständlich muss das Einhalten der Regeln und Prozesse kontrolliert und dokumentiert werden. So entstehen neben hunderten von Vorschriften auch immer komplexere Ablaufbeschreibungen, die jede Eventualität abdecken wollen und die am Ende nicht einmal mehr die Ersteller selber verstehen.

Ein Unternehmen aus der Elektronik-Branche schuf eine Prozedur, nach der ein bestimmter Geschäftsvorgang erst dann gestartet werden durfte, wenn eine Vorstufe dazu freigegeben war. Zu dieser Freigabe gehörte unter anderen, dass der Geschäftsvorgang gestartet worden war - die Katze biss sich in den Schwanz und der Prozess war blockiert.
Ein Autozulieferer beschäftigte eine ganze Abteilung damit, interne Prozesse und Abläufe zu erfassen und zu definieren. Als das Werk fast fertig war, holte man gleich drei externe Berater hinzu, die die Prozesse überarbeiten sollten. Um die Arbeiten zu koordinieren, wurde eine vierte Beratungsfirma engagiert. Die Arbeit von mehreren Jahren wurde über Bord geworfen.


Fehleinschätzungen

Ein Unternehmen aus der Elektronik-Branche wollte die Produktivität und damit „die Wettbewerbsfähigkeit“ steigern, indem es den Mitarbeitern mehr Pausenzeit abzog. Damit sollten Zigarettenpausen, Kaffeepausen der der Gang zur Kantine mit eingerechnet werden. Die Idee dahinter war klar: Man erwartete, dass die Mitarbeiter ihr Verhalten nicht ändern würden und so dem Unternehmen täglich ein paar Minuten unbezahlte Arbeitszeit schenken würden.
Die Rechnung ging nicht auf, der Effekt war ein ganz anderer: Die Mitarbeiter ließen sich nun beim Mittagessen mehr Zeit, in der Kantine wurden Plätze und Geschirr knapp.
Das obere Management wurde für diesen Sparerfolg natürlich belohnt.


Die Reihe wird fortgesetzt - Die Manager werden für genügend Stoff sorgen!