Subjektive Beobachtungen eines Nordlichts, das in Bayern gelandet ist

Neulich in Franken

"Wie iss denn Ihr Name?”
"Ingo Sarp."
"Mid an haddn B oder an weichn B?"
"Kein B, ein P!"
"Also a haddes B."
"Wenn Sie das sagen..."
Die Franken haben ein Problem, bestimmte Konsonanten richtig auszusprechen. Das sind K, P und T. Diese Laute gibt es dort einfach nicht und sie werden durch G, B und D ersetzt. Das führt bei der Verwendung von Abkürzungen manchmal zu Verwirrungen, selbst unter Einheimischen. Aus TP wird dann DB. Es gibt nur eine einzige Ausnahme. Zu ihrer Wurst, der Bradworschd, nehmen die Franken gerne Senft. Richtig, da kommt eigentlich gar kein T vor... Man muss es nicht verstehen es iss hald so.
 

Vorstellung

Nicht nur die Unkenntnis der “haddn und weichen” Konsonanten weist den Betroffenen als Zuagroasten aus, sondern auch die Art der Namensnennung. Die gilt für ganz Bayern: Der Bayer nennt üblicherweise bei der Vorstellung erst seinen Nachnamen, dann den Vornamen, also z. B. “I bin da Huaber Karl.” Nach einer Legende ist der Grund dafür, dass früher vor allem in den Dörfern der Einfachheit halber fast jeder “Sepp” hieß (so erwartet es auch der Nichtbayer) und man dann zur Unterscheidung den Familiennamen vorzog.
 

Dult

In der Oberpfalz Dult, in anderen Gegenden Bayerns auch Kirchweih (für die Zuagroasten), Kärrwa und ähnlich genannt. Sie hat mit einem Kirchenfest nichts zu tun, sondern ist ein kirchlich sanktioniertes, öffentliches Massenbesäufnis. Die Kirche dient nur als Vorwand für ein großes Fest. In den großen Städten gibt es dazu bis zu 2 Wochen Jahrmarkt mit Fahrgeschäften und Unterhaltung, in den kleinen Orten bleibt es aus Platzmangel bei einem Bierzelt. Die Dult findet zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst, statt. Daraus ist allerdings nicht zu schließen, dass die Einheimischen in der Zwischenzeit auf den Genuss von Bier verzichten würden.
 

Gemütlichkeit

"Gmiatlichkeit" bedeutet in Bayern, auf rohen, unbequemen Holzbänken zu sitzen, Haxen zu essen, dazu Unmengen von Bier zu trinken und sich laut brüllend zu unterhalten. Der Inhalt der Unterhaltung ist dabei ziemlich nebensächlich, weil sowieso keiner dem anderen zuhört. Erstens redet jeder selber, zweitens ist es viel zu laut.
 

Im Café

"Kimmt da no wos her?" fragte die Bedienung im Eiscafé, nachdem wir unsere Portionen mehr oder weniger aufgegessen hatten. Mir lag die Antwort auf der Zunge "wenn Sie nichts herbringen, dann wohl kaum", aber das erschien mir doch zu unhöflich. Die Übersetzung, die mein Unterbewusstsein schnell aus dem niederbayerischen Satz vornahm, ergab in etwa "Haben Sie noch einen Wunsch?" Merke: auch in Städten geht es sprachlich häufig rustikal zu, aber wer nicht damit umgehen kann, outet sich sofort aus "Saupreiß".
 

Der bayerische Konjunktiv

Wer sich als "Preiss" für eine etwas längere Zeit in Bayern aufhält, dem fällt bald der exzessive Gebrauch des Konjunktiv auf. Das liegt nicht daran, dass sich ein Bayer nicht festlegen wollte oder sich ständig unsicher wäre. Für solche Situationen gibt es spezielle Deklinationen und Ausdrucksweisen, die auch noch regional etwas unterschiedlich sind und außerhalb Bayerns nicht vorkommen. Was für uns wie ein Konjunktiv klingt, ist für einen Bayern einfach der Versuch, eine gewisse Höflichkeit auszudrücken. Das ist wohl in der sonst eher rustikalen Umgangssprache nicht vorgesehen.
 

Schuhplatteln

Das Schuhplatteln ist eine Art Tanz, bei dem Männer in Tracht und Lederhosen auf einer kleinen Bühne, ähnlich einem Boxring, herumspringen und sich selbst auf Schuhsohlen, Schenkel und andere Körperteile hauen. Diese vor allem in Oberbayern verbreitete Vorstellung erinnert den unbedarften "Zuagroasten" Zuschauer unwillkürlich an das Balzverhalten einiger Vogelarten und hat wohl auch einen sehr ähnlichen Zweck. Was daran allerdings so anziehend auf die Madln wirkt, bleibt den Außenstehenden verschlossen.
 

Schafkopfn

Das "Schafkopfn" ist eine Art Volkssport in Bayern, der meistens am Freitagabend im örtlichen Wirtshaus ausgeübt wird. Dabei handelt es sich um ein Kartenspiel, etwas ähnlich dem Skat, aber ganz anders. Die Karten heißen nicht Bube, Dame, König, sondern Schelln, Eichel oder Sau. Gespielt wird zu viert, wobei zwei Spieler zusammen spielen. Man weiß aber erst hinterher, wer mit wem gespielt hat. Die Regeln sind ziemlich undurchsichtig und für Nichtbayern kaum verständlich, nicht nur der Sprache wegen. Es ist ähnlich wie mit Cricket oder Baseball, wer nicht damit aufgewachsen ist, für den bleibt es ein ewiges Rätsel.
 

Des hob i nie net gsogt!

Ein Kuriosum im bayerischen Sprachraum ist die doppelte Verneinung. In Bayern ganz selbstverständlich, ist sie für Zuagroaste zunächst gewöhnungsbedürftig. Stellt sie doch, rein logisch betrachtet, eigentlich eine Bejahung dar. So ist sie aber nicht gemeint. Mit einer doppelten Verneinung sagt der Bayer, dass er seine Ablehnung wirklich ernst meint. Ein einfaches Nein kann also auch ein bisschen als “Vielleicht” gedeutet werden, ein doppeltes dagegen heißt "nein, wirklich nicht!"
 

Die wo die wo sagen

Zu den im Bayerischen am häufigsten verwendeten Wörtern gehört das Wörtchen "wo". Es wird gerne bei jeder Gelegenheit in einen Satz eingebaut. Dabei wird es nur selten als Präposition, also als Hinweis auf einen Ort oder als Frage nach einem solchen verwendet. Es taucht vielmehr in Sätzen auf wie "der Autor, der wo diesen Beitrag schrieb" oder "die Party, wo neulich stattgefunden hat". Dabei ist es zulässig, das Demonstrativpronomen "der, die das" vor dem "wo" wegzulassen, aber das "wo" selbst muss sein. "Der wo" oder "die wo" steht als Synonym für "derjenige welcher" oder nur "welcher". Das Pronomen alleine wäre wohl zu kurz, und das sperrige "welcher" kommt im Bayerischen nur in einr Frage wie "welcher von den beiden..." vor. So füllt man die Sätze mit "wo" auf, obwohl es an dieser Stelle völlig überflüssig und sinnlos ist. Vielleicht wird es gerade deswegen so gerne eingesetzt? Es ist auch denkbar, dass das Pronomen durch das "wo" gestärkt werden soll. Auf jeden Fall wird sich jeder, der wo einmal nach Bayern kommt, mit dieser sprachlichen Eigenheit abfinden müssen... Zur Ehrenrettung der Bayern sei noch angemerkt, dass auch die Schwaben dieser Leidenschaft frönen.
 

Bayerische Wahlen

In Bayern herrscht eine Art parlamentarische Demokratie. Das heißt, es gibt zwar mehrere Parteien, zumindest auf dem Stimmzettel, aber es regiert seit ewiger Zeit die CSU. Der Nachfolger des Königs heißt heute Ministerpräsident und er baut keine Schlösser mehr, sondern Flughäfen und magnetschwebebahnen (bei der reichte es allerdings nur zum Denkmal).
Die CSU wird gewählt, weil schon der Vater, der Großvater, der Urgroßvater usw. sie gewählt haben. Es ist eben eine Tradition, und in Bayern legt man Wert auf Traditionen. Das die CSU in letzter Zeit nicht immer über 60% der Stimmen oder wenigstens die absolute Mehrheit bekommt, liegt an den vielen Zuagroasten, die die gute Tradition noch nicht kennen und einfach ihr Kreuz an anderer Stelle machen. Damit ist auch das Gerücht widerlegt, dass in bayerischen Wahlkabinen die Stifte so kurz angebunden sind, dass sie nur bis zur ersten Zeile reichen, in der immer die CSU zu finden ist.
Natürlich gibt es in Bayern auch einen Wahlkampf, aber der spielt keine große Rolle. zum einen steht der Ausgang ja schon vorher fest, zum anderen wird die Wahlentscheidung in der Kirche getroffen. Der Privatsender Antenne Bayern machte einmal an einem Wahlsonntag eine Umfrage auf der Straße, um einen Eindruck von der Stimmung zu bekommen. Antwort eines Passanten auf die Frage, was er denn wählen wird: “Wir gehen jetzt erst einmal in die Kirche, da hören wir dann schon, was man wählen kann”. So gewinnt immer die christliche Partei, auch wenn sie es sonst mit den Regeln des Christentums nicht so genau nimmt. Kirche und Staat gehören in Bayern immer noch zusammen, auch das ist Tradition.