Wie viele andere, die sich etwas intensiver mit dem Hobby Fotografie beschäftigen, stand auch ich eines Tages vor der Frage, ob ich auf eine Kamera mit Vollformat-Sensor umsteigen sollte. Ich bin erst 2010, also relativ spät, in die digitale Fotografie eingestiegen und habe mir damals eine Kamera mit APS-C-Sensor gekauft. Vollformat schien mir noch übertrieben, die Preise waren sehr hoch und die Kameras boten nicht alle Features, die ich suchte. Gute sechs Jahre lang war ich mit der EOS 7D sehr zufrieden, dennoch kam gelegentlich die Frage auf, ob es nicht noch besser geht.

Fotos von Mitreisenden z. B., die eine Vollformat-Kamera dabei hatten, erschienen mir ab und zu etwas schärfer und brillianter als meine eigenen, die unter gleichen Bedingungen entstanden waren. Hatte ich ungünstige Einstellungen gewählt oder lag es an der Kamera? Oder doch am Objektiv? Ich begann, im weltweiten Netz zu recherchieren, nach Erfahrungsberichten zu suchen und Testberichte zu lesen. Danach war ich kaum schlauer als vorher. Während einige Autoren von völlig neuen fotografischen Dimensionen schwärmten, die sich durch den großen Sensor eröffneten, sahen andere kaum einen Unterschied. So blieb mir nur der Gang zum Händler meines Vertrauens, um mich beraten zu lassen und die beiden Varianten direkt miteinander zu vergleichen. Ich hatte die EOS 5D Mark III ins Auge gefasst, da ich keinen Systemwechsel wollte. Sie ist der 7D von der Bedienung her sehr ähnlich und ich konnte einige Objektive behalten. Man ahnt es schon: Ja, ich habe sie dann mitgenommen.

 

Der ganz große "Wow-Effekt", von dem einige Anwender berichten, ist bei mir allerdings ausgeblieben. Sowohl im Geschäft als auch bei späteren Vergleichen konnte ich zunächst keine dramatischen Unterschiede in der Bildqualität erkennen. Das mag auch mit daran liegen, dass die 7D schon recht gut ist, jedenfalls besser, als sie von einigen "Testern" dargestellt wurde. Im Laufe der Zeit konnte ich allerdings feststellen, dass der größere Sensor doch mehr Auflösung und Schärfe bietet, als es die zusätzlichen Pixel erwarten lassen. Er nutzt die Möglichkeiten der Linsen besser aus. Der kleinere APS-Sensor macht bei vollformattauglichen Objektiven eine Ausschnittvergrößerung, was mit etwas Qualitätsverlust verbunden ist. der große Sensor nutzt dagegen die gesamte Bildfläche aus.

"Die Neue" bietet einen etwas größeren Dynamikumfang, sie holt vor allem in den hellen Bereichen etwas mehr Zeichnung heraus und sie rauscht bei hohen ISO-Zahlen weniger. Zudem ist das Sucherbild einen Tick größer. Welten liegen aber nicht zwischen den beiden Modellen. Das die Farben wesentlich brillianter und knackiger wären, kann ich so nicht bestätigen. Der Unterchied ist gering und warum sollte er auch groß sein? Die Kamera soll die Farben so wiedergeben, wie sie sind.

Da ich überwiegend Landschaftsfotografie betreibe, ist für mich neben dem normalen auch der Weitwinkelbereich interessant. Hier habe ich mit dem VF-Sensor deutlich mehr Möglichkeiten und eine größere Auswahl an Objektiven, vor allem im Bereich der Siper-Weitwinkel.

Das VF bietet gegenüber APS bei gleicher Blende eine etwas geringere Tiefenschärfe (ca. eine Blende). Ich empfinde das eher positiv, weil es mir etwas mehr Gestaltungsspielraum gibt (Freistellen).

Was spricht nun für den Vollformat-Sensor?

Es gibt trotzdem ein paar wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Sensortypen. (Wenn ich von APS spreche, meine ich allgemein die Bildsensoren im Format von ca. 15 x 22mm unabhängig von einer Marke. Bei APS-C steht das C für "Classic", diese Bezeichnung verwenden z. B. Canon und Sony, Nikon nennt diesen Typ DX.)
"Vollformat" klingt gut und erweckt den Eindruck, alles darunter wäre nur etwas Halbes oder weniger. Dabei entspricht der große Sensor mit seinen 24x36mm genau dem, was man zur Zeit der analogen Fotografie "Kleinbild" nannte. Und da gab es auch noch größere Filmformate, etwa 60x60 oder 60x90mm. Vollformat sagt also lediglich aus, dass dieser Sensor dieselbe Größe hat wie ein damals üblicher Kleinbildfilm. Das bedeutet auch, dass man mit diesem Sensor bei gleicher Brennweite denselben Bildausschnitt bekommt wie mit der guten alten analogen KB-Kamera. Tatsächlich lassen sich auch einige alte Objektive an den neuen Kameras weiter einsetzen. Der APS-Sensor ist dagegen knapp halb so groß.

Kurz gefasst spricht für das Vollformat:

  • Bessere Auflösung und Schärfe mit dem selben Objektiv
  • Größeres und helleres Sucherbild
  • Mehr Freiheiten beim Gestalten (Tiefenschärfe)
  • Höherer Dynamikumfang
  • Geringere Empfindlichkeit für Beugungsunschärfe
  • Weniger Rauschen bei schlechten Lichtverhältnissen (bei vergleichbarer Pixelzahl)
  • Deutlich mehr Spielraum im Weitwinkelbereich


Für einen APS-Sensor spricht:

  • Kameras und für APS konstruierte Objektive sind meistens etwas kleiner und leichter
  • Deutlich niedrigerer Preis
  • Durch den Crop-Faktor Vorteile im Tele-Bereich (scheinbare Brennweiten-Verlängerung)


Wie bereits erwähnt, sind die Unterschiede nicht unbedingt gravierend. Es hängt auch davon ab, von welcher Kamera bzw. von welchen technischen Stand man kommt. Mit der 7D mit APS war ich sehr zufrieden, mit der 5D mit VF bin ich noch zufriedener. Sie ist in den Details sichtbar besser und ich habe den Kauf nicht bereut. Auf der ersten Reise, die sie mitmachte, hat sie sich sehr gut bewährt. Ich habe weniger häufig das Standard-Objektiv (24-70mm) wechseln müssen, weil der untere Brennweitenbereich besser abgedeckt ist.
Den Sweet Spot vermisse ich nicht, die Objektivfehler lassen sich leicht bei der Nachbearbeitung oder schon in der Kamera herausrechnen und der Gewinn durch die höhere Auflösung überwiegt klar.

Eine eindeutige Antwort auf die Frage "APS oder Vollformat" gibt es nicht. Die Technik hat sich in den letzten Jahren weiter entwickelt, so dass die sichtbaren Unterschiede zwischen den Systemen kleiner wurden. Technisch bedingt hat das Vollformat natürlich immer einen Vorteil, aber wer nicht unbedingt das letzte bißchen Qualität herauskitzeln muss, kann sicher mit APS gut leben. Wer viel mit Weitwinkel oder bei schlechtem Licht arbeitet, ist mit Vollformat besser bedient, ebenso, wer das größere Freistellungspotenzial nutzt (z. B. für Portraits). Wer eine ältere APS-Kamera besitzt, wird einen größeren Unterschied bemerken als jemand, der eine Kamera der neuesten Generation besitzt. Labormessungen, wie sie z. B. auf dxomark.com zu finden sind, zeigen allerdings, dass auch die neuesten APS-System im Punkto Auflösung nicht an die VF-Systeme herankommen.

Wer sich für Vollformat interessiert, sollte sich über seine Vorlieben klar werden und es dann einmal ausprobieren. Um die Möglichkeiten, die der große Sensor bietet, wirklich auszuschöpfen, muss man die Aufnahmen nachher selber bearbeiten. Deshalb fotografiere ich inzwischen fast nur noch im RAW-Format. Wer mit den JPGs aus der Kamera zufrieden ist und sie ohne weitere Bearbeitung nur am Fernseher ansieht, für den genügt APS. Man sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass es Folgekosten gibt: Um die neuen Möglichkeiten wirklich ausnutzen zu können, sind gute Objektive notwendig.
Eine Vollformat-Kamera macht nicht automatisch bessere Bilder. Das wichtigste Element befindet sich immer noch hinter dem Sucher: Der Fotograf. Aber vielleicht ist etwas dran an dem Satz, den ich in einem Foto-Forum fand: Wenn man mit einer Vollformat-Kamera bessere Aufnahmen macht, liegt das vielleicht einfach nur daran, dass man sich mit einer teureren Ausrüstung auch mehr Mühe gibt.

 

Würde ich heute wieder eine Vollformat-Kamera kaufen? Ganz klar: Ja, unbedingt. Sie biete einfach ein paar mehr Möglichkeiten, die ich schätze, und es macht noch mehr Spaß, damit zu fotografieren. Und Spaß an der Sache ist schließlich das Wichtigste. Zudem fühle ich mich nach einigen Jahrzehnten mit einer Kleinbild-RSpiegelreflex in diesem Bereich eindach wohl.

Das Gesagte gilt natürlich nicht nur für die Spiegelreflex-Kameras, sondern ganz genauso für die spiegellosen Systeme, die immer stärker auf den Markt drängen und sicher die gute, alte Reflex langsam verdrängen werden.
 

Vollformat = Profi?

Oft wird erzählt, Vollformat wäre nur etwas für Profi-Fotografen. Das ist nur teilweise richtig. Wer sich in Netz mal genauer umsieht, wird feststellen, dass viele Berufsfotografen und Bildjournalisten mit dem kleineren und kostengünstigeren APS-Format arbeiten. Viele von ihnen verdienen kaum das Nötigste zum Leben und verzichten auf die teurere Kamera oder investieren das Geld lieber in gute Objektive. Zudem macht der Crop-Faktor der APS-Sensoren das Arbeiten im Telebereich handlicher. Das Vollformat wird von Spezialisten bevorzugt, deren Abzüge auf Poster- oder Plakatgröße gebracht werden, von engagierten Hobbyfotografen (auch solchen, die für Profis gehalten werden möchten) oder von Event-Fotografen (z. B. Hochzeit), die das in den Augen der Auftraggeber hohe Honorar durch eine teure Ausrüstung rechtfertigen müssen. Oft bieten die Profikameras auch noch zusätzliche Ausstattungsmerkmale, die bei den günstigeren Modellen fehlen. Die sind aber meistens nur für bestimmte Situationen interessant und im Alltag verzichtbar. Mit dem Aufkommen mehrerer relativ günstiger Einstiegsmodelle im Vollformat-Bereich wandelt sich das Bild inzwischen ein wenig.

In der Blüte analogen Zeit war Vollformat = Kleinbild übrigens völlig normal.

Die scheinbare Brennweitenverlängerung

Gerne wird, selbst von Profis, bei APS von einer "Brennweitenverlängerung" gesprochen. Damit ist der Effekt gemeint, der entsteht, wenn man ein Objektiv von einer VF-Kamera auf eine APS-Kamera setzt: Das Motiv wird größer, der Bildausschnitt kleiner, so als hätte man eine größere Brennweite. Das ist natürlich nicht der Fall, denn die Brennweite wird durch die Linsen des Objektivs festgelegt.
Die Diagonale und damit der Bildkreis-Durchmesser des Vollformat-Sensors ist etwa 1,5mal (bei Canon 1,6mal) größer als die des APS-Sensors. Ein Objektiv, das für einen großen Sensor gedacht ist, muss dessen Bildkreis ausleuchten. Ein kleinerer Sensor sieht dagegen nur einen Ausschnitt aus der Bildfläche. Was darüber hinaus ragt, wird abgeschnitten (daher auch der Begriff Crop-Faktor von to crop = abschneiden). Der kleinere Sensor macht also eine Ausschnittvergrößerung aus dem Bild, die wie eine vergrößerte Brennweite wirkt. Das kann durchaus vorteilhaft sein: Ein 200mm-Tele an APS erzielt die gleiche Bildwirkung wie ein weniger handliches 300mm-Tele an VF. Denselben Effekt gibt es natürlich auch im Weitwinkelbereich und hier ist er eher störend. Ein starker Weitwinkel an VF wird an APS in einen leichten Weitwinkel oder auch in den Normalbereich verschoben. Wer mit starken WW arbeiten möchte, muss dann nach sehr kurzen Brennweiten suchen.

Mythos Sweet Spot

Befürworter des APS-Sensors argumentieren gerne mit dem "Sweet Spot" als großem Vorteil des kleineren Formats. Wie oben geschildert, sieht der APS-Sensor nur einen Ausschnitt aus dem Bild. Üblicherweise haben Objektive ihre beste Leistung was Schärfe, Farbsäume oder Vignettierung betrifft, in der Nähe der Bildmitte. Bildfehler und Abschattung nehmen zum Rand hin zu. Der kleinere Sensor bekommt also die Problemzonen nicht zu sehen. Ein Vorteil gegenüber Vollformat? Nur bedingt. Das trifft dann zu, wenn man ein Objektiv hat, das für VF berechnet ist, da dieses dann eine entsprechend große Bildfläche bietet. Bei Objektiven, die konsequent für APS konstruiert wurden, damit sie kompakter, leichter und günstiger werden können, ist der Sweet Spot weniger ausgeprägt. Und noch etwas gibt es zu beachten: Die Ausschnittvergrößerung, die der APS-Sensor vornimmt, führt auch zu einer Vergrößerung der Bildfehler, die das Objektiv mitbringt. Bei vergleichbarer Pixel-Zahl stellt ein APS-Sensor deutlich höhere Ansprüche an ein Objektiv als ein VF-Sensor. Die Auflösung des Objektivs müsste um den Crop-Faktor höher sein.

Lichtempfindlichkeit und Rauschen

Bei annähernd gleicher Pixel-Zahl haben die Pixel eines VF-Sensors eine etwa doppelt so große Fläche wie die des APS-Chips. Sie bekommen also doppelt so viel Licht und somit muss die nachgeschaltete Elektronik weniger stark eingreifen. Dadurch wird das Bildrauschen reduziert, was sich vor allem bei hohen ISO-Werten bemerkbar macht. Hier haben die großen Sensoren prinzipbedingt immer einen Vorteil. Allerdings wird dieser oft überschätzt, denn er macht nur gut eine ISO-Stufe aus. Was darüber hinausgeht, wird durch bessere Bauteile oder eine bessere Rauschunterdrückung erreicht.

Die Tiefenschärfe

Hier scheiden sich die Geister wieder einmal. Dadurch, dass die APS-Kamera, um den selben Blickwinkel zu bekommen, mit kürzeren Brennweiten arbeitet, ergibt sich naturgemäß eine etwas größere Tiefenschärfe. Das macht ungefähr eine Blendenstufe aus. Das bedeutet, dass die VF-Kamera ihren Vorteil der höheren Empfindlichkeit wieder abgibt, weil sie für die gleiche Schärfewirkung eben um eine Stufe weiter abblenden muss. Andersherum ist aber die größere Tiefenschärfe von Nachteil, wenn es darum geht, ein Hauptmotiv freizustellen, d. h. den Hintergrund unscharf abzubilden. Da muss die APS-Kamera weiter aufblenden und kann an die Grenze des Objektivs stoßen. Zudem liefern die meisten Objektive ihre beste Leistung im mittleren Blendenbereich ab.

Förderliche Blende und Beugungsunschärfe

Weniger bekannt als die anderen Dinge ist die "föderliche Blende". Damit wird der Blendenwert bezeichnet, von dem an bei weiterem Abblenden die Schärfe nachlässt. Wer sich an seinen Physik-Unterricht erinnert, dem ist vielleicht noch bekannt, dass Licht nicht nur in Prismen, sondern auch an Kanten gebeugt wird. Das hat zur Folge, dass ein Lichtstrahl, wenn er eine Kante passiert, abgelenkt und aufgefächert wird. Damit wird eine Abbildung unschärfer, wenn die Blende weiter geschlossen wird, obwohl nach der Theorie die Schärfeleistung zunehmen sollte.
Die Beugungsunschärfe hängt von der Blende ab, die Empfindlichkeit dafür hängt von der Pixelgröße ab. Da die APS-Zellen nun einmal kleiner sind (bei gleicher Pixelzahl), liegt auch der kritische Blendenwert niedriger. Je mehr Pixel sich im kritischen Unschärfebereich befinden, desto geringer ist der Schärfeeindruck. Hier ist Vollformat wieder im Vorteil. Für die förderliche Blende gibt es im Internet Online-Rechner, bei denen man die Pixelgröße und Anzahl eingibt. Über den Daumen kann man sagen: APS Blenden 6-8, VF Blenden 9-12, VF hat etwa 1-2 Blendenstufen Vorsprung. Das gilt für die mittleren Pixelzahlen von18-30 Megapixeln. Die Pixelmonster mit 50 und mehr MP verspielen diesen Vorteil wieder.