Ein Blick in die einschlägigen Foren zeigt, dass dies eine oft gestellt Frage ist und das hier viel Verunsicherung herrscht. Das Angebot ist groß, die Preisspannen auch. Eines noch vorweg: Dieser Beitrag bezieht sich ausschließlich auf Systemkameras, also Spiegelreflex, Spiegellose und ähnliche mit Wechselobjektiven.

Ich habe mich erst relativ spät, nämlich 2010, für den Umstieg auf die digitale Technik entschieden. Es wurde eine Spiegelreflex-Kamera, was vor allem daran lag, dass ich vorher etwa 30 Jahre lang mit einer solchen gearbeitet hatte. Es war also Gewohnheit und der Wunsch, etwas "Richtiges" in der Hand zu halten. Mit den kleinen Knöpfchen an den Kompakt-Kameras shatte ich so meine Schwierigkeiten.

Die Anforderungen waren zunächst klar: Sie sollte handlich und leicht sein, also für Reisen geeignet, und eine brauchbare Videofunktion besitzen, da ich nicht mehr mit zwei Kameras herumlaufen wollte. Nach dem Studium verschiedener Fachzeitschriften, Internetbeiträge und Testberichte war ich nicht wesentlich schlauer. Ich hatte zwar eine Präferenz, war aber nicht ganz sicher und ging ein Fachgeschäft. Dort konnte ich mehrere verschiedene Modelle von verschiedenen Herstellern ausprobieren.

Die ursprünglich angedachte, kompakte Kamera war dann schnell aus dem Rennen. Sie ließ einfach nicht so gut halten, die Auswahl an Wechselobjektiven war klein und die Bedienung war teilweise umständlich. Ich habe mich dann für eine Kamera entschieden, die etwas größer und deutlich schwerer war, aber gut in der Hand lag und bei der alle wichtigen Funktionen schnell und einfach erreichbar waren. Das war mir wichtiger als technische Daten oder eine bestimmte Marke.

 

So lautet mein erster Tipp: Versucht, ein gutes Fachgeschäft zu finden, in dem ihr markenunabhängig beraten werdet. Der Händler sollte mehrere Modelle von verschiedenen Herstellern haben, die infrage kommen können und die ihr dort ausprobieren könnt. Dafür sollte er sich die notwendige Zeit nehmen, ohne zu drängeln. Vermutlich zahlt ihr dafür etwas mehr als beim billigsten Online-Händler, aber wenn ihr dadurch einen Fehlkauf vermeidet, ist es das wert. Die Freude an der Fotografie soll ja viele Jahre anhalten.

 

Meine Empfehlungen, wenn ihr auf der Suche nach einer Kamera seid, sind daher:

Überlegt euch, was ihr mit der Kamera hauptsächlich fotografieren wollt: Urlaubserinnerungen, Landschaften, Portraits, Sport, Tiere, Gebäude, ...

Wollt ihr auch mal Videoclips machen? Dann sollte die Videofunktion einfach erreichbar sein.

Macht ihr häufig Schnappschüsse? Dann muss die Kamera einen schnellen Autofokus haben.

Macht ihr häufiger Serienbilder? Dann ist die Serienbildgeschwindigkeit ein Kriterium (der schnelle Autofokus sowieso). Das gilt z. B. für die Sport-Fotografie oder "Wildlife" (Vögel im Flug).

Soll die Kamera einen Sucher haben oder kommt ihr mit dem Monitor zurecht? Elektronische Sucher sind mittlerweile recht gut, verbrauchen aber zusätzlich Strom. Ein Monitorbild ist bei Sonneneinstrahlung schlecht zu sehen.

Genügt ein einfacher Sucher oder benötigt ihr Zusatzinformationen, Hilfslinien, Wasserwaage usw.?

Wird sie vorwiegend im Studio eingesetzt, in Innenräumen oder draußen bei Wind und Wetter?

Ist ein eingebauter Blitz wichtig oder habt ihr ohnehin einen "richtigen" Blitz dabei? Die eingebauten sind praktisch, haben aber vergleichsweise geringe Leistungen.

 

Eine wichtige Frage fehlt noch: die nach dem Sensor-Format. Die meisten werden sich schon aus Kostengründen wohl für eine Kamera mit APS bzw. APS-C-Chip entscheiden. Der ist etwa halb so groß wie der berühmte "Vollformat"-Sensor, der es auf die Größe eines Kleinbild-Dias bringt. Daneben gibt es noch die "Micro Four Thirds" mit dem Bildformat 4:3. Die kleineren Sensoren sind günstiger, dafür optimierte Objektive sind kompakter. Wer Vollformat möchte, landet automatisch in der Profiliga, wenngleich es auch dort inzwischen günstigere Einsteigermodelle gibt.

 

Diese Fragen sollte ein guter Fachhändler auch stellen und euch entsprechend leiten. Die richtige Kamera müsst ihr aus der sich ergebenden Auswahl selber herausfinden. Wichtig ist, dass ihr euch damit wohlfühlt, denn nur so könnt ihr euch auf das wesentliche, nämlich das Fotografieren, konzentrieren. Von der häufig praktizierten Idee, sich zunächst beraten zu lassen und dann auf einer Internet-Platform günstiger zu kaufen, halte ich persönlich übrigens gar nichts. das ist eigentlich Betrug am Händler.

Vergesst die einschlägigen Internet-Foren! Sachliche Diskussionen sind in Deutschland kaum noch möglich, sie arten oft in Glaubenskriege aus. Aussagen wie "die Kamera ABC ist die beste" (weil ich so eine habe) oder "wer eine XYZ-Kamera kauft, ist schön blöd" sind nicht hilfreich. Das wichtigste Element für ein gutes Foto befindet sich immer noch hinter dem Sucher - das ist der Fotograf. Alles andere sind Werkzeuge, die helfen sollen. Nicht jedes werkzeug ist für jeden Anwender gleich gut geeignet.
Gebt Sie nicht zu viel auf Testberichte oder beachtet nur den allgemeinen Teil wie die Handhabung und Robustheit. Die technischen Unterschiede zwischen den Marken sind meistens so gering, dass sie nur messtechnisch nachweisbar sind, aber in der Praxis keine Bedeutung haben. Wichtiger ist, dass die Kamera zur geplanten vorwiegenden Anwendung passt, dass der Auslöser dort sitzt, wo der Zeigefinger landet, das sich die Blende, Verschlusszeit oder der ISO-Wert schnell und einfach einstellen lassen, ohne dass man in Menüs suchen muss.

 

Es gibt gelegentlich "Testberichte" von Leuten, die sich berufen fühlen, eine Kamera zu beurteilen, ohne sie jemals in der Hand gehabt zu haben oder sogar noch bevor sie im Handel erhältlich ist. Sowas zu lesen ist Zeitverschwendung.
Es gibt nicht die beste Kamera oder die eine, die für alle Anwendungen optimal ist. Auch der Preis ist nicht immer aussagekräftig. Ein höherer Preis besagt oft, dass die Kamera mehr Möglichkeiten bietet, das wichtigste Element für ein gutes Foto ist aber immer noch  der Fotograf. Wird das Motiv nicht richtig in Szene gesetzt, dann nützt auch die 6000€-Kamera nichts und wird nur zu Enttäuschungen führen.
Einsteigermodelle haben oft die gleichen Bildsensoren wie die teureren Modelle, bieten aber meistens weniger Ausstattung und "Features". So muss man dann häufig Abstriche beim Autofokus-System, der Belichtungsmessung, der Geschwindigkeit oder dem Sucher machen. Die Bedienung erfolgt mehr über Menüs als über Tasten. Überlegt euch, was euch hier wichtig ist. Oft gilt hier die alte Weisheit "du bekommst, wofür du bezahlst".


Wenn ihr euch sicher seid, dass ihr in diesem Bereich der Fototechnik bleiben und etwas mehr als bur gelegentlich "knipsen" wollt, dann solltet ihr euch überlegen, gleich eine Kamera aus der nächsthöheren Klasse zu wählen. Das ist günstiger, als nach kurzer Zeit umzusteigen, wenn sich die "Kleine" als zu begrenzt in ihren Möglichkeiten erweist.
Als engagierter Fotografen werdet ihr vermutlich eure Aufnahmen am PC ein wenig nacharbeiten. Das ist ist nicht verwerflich, sondern holt oft noch ein bischen mehr aus den Bildern heraus. In diesem Fall benötigt ihr keine Unmenge an Programmfunktionen in der Kamera, die für bestimmte Aufnahmesituationen gedacht sind. Das lässt sich per Nacharbeit meistens besser erledigen, ihr habt die Kontrolle darüber und lauft nicht Gefahr, zu vergessen, von einer speziellen Einstellung wieder zum Standard zurückzustellen. Wenn ihr zudem normalerweise RAW-Aufnahmen macht, sind Programmautomatiken ohnehin sinnlos und somit kein Kaufargument.

 

Lasst euch nicht von hohen Pixel- oder ISO-Zahlen blenden! Die meisten bezahlbaren Objektive, vor allem für APS, können die Sensoren nicht annähernd ausreizen. Und bei ISO-werten über 100000 ist die Bildqualität meistens grottenschlecht.

Es gibt also keine eindeutige Aussage, aber viel zu überlegen. Doch wenn ihr dann eine Kamera findet, die zu euch und euren Anforderungen passt, dann werdet ihr damit viel Spaß haben.

Da es bei den Sensoren keine allzu großen Unterschiede mehr gibt, ist für die Bildqualität auch das eingesetzte Objektiv von großer Bedeutung. Glücklicherweise gibt es kaum noch richtig schlechte Linsen, doch es gibt z. B. Unterschiede in der Verarbeitung und Ausstattung. Man kann als Hersteller beim Autofokus-Antrieb sparen, den Bildstabilisator weglassen und mehr Kunststoff einsetzen. Profilinsen sind im allgemeinen robuster gebaut und besser gegen Staub und Spritzwasser geschützt. Die meist etwas bessere Bildqualität könnt ihr an einer APS- oder Crop-Kamera allerdings kaum ausnutzen, das gute Stück ist mit der hohen Pixeldichte des kleinen Sensors überfordert.. Ein Profi-Objektiv macht für eine solche Kamera nur dann Sinn, wenn ihr es unter rauhen Bedingungen einsetzen wollt, es für die gewünschte Brennweite keine Alternative gibt oder ihr später einmal auf Vollformat umsteigen wollt.

 

Viele Kameras werden als "Kit" angeboten, d. h. als Set mit einem universell einsetzbaren Objektiv. Dabei kann man etwas sparen. Manchmal gibt es auch verschiedene Kombinationen zur Auswahl oder man kann mit dem Händler ein Paket schnüren. Die Kit-Objektive sind in Qualität und Preislage in etwa an die Kamera angepasst. Bei einigen Angeboten einiger Elektromärkte muss man zweimal hinsehen. Hier kann es auch mal spezielle Varianten eines Objektivs geben, die so nicht im Fachhandel zu haben sind und an denen gegenüber der Serie etwas abgespeckt wurde.

Was ist wichtig bei einem Objektiv? Auch hier empfehle ich zunächst einmal: Fasst es an, probiert es aus. Seid ihr mit dem Bild zufrieden? Ist der Autofokus flott und treffsicher? Klappert und wackelt nichts? Sind Zoom- und Fokusringe nicht zu lose oder hakelig? Wie fühlt es sich an - ist es gut haltbar und bedienbar? Ist es zu schwer? Wie steht es mit Garantie, Gegenlichtblende und dergleichen?


Vorsicht mit Testcharts: Testcharts oder spezielle Testbilder werden gerne aufgenommen, um Objektive zu vergleichen. Eigentlich eine gute Sache, da die Bedingungen immer gleich sind. Es gibt aber eines zu beachten: Solche Testbilder werden üblicherweise aus kurzer Distanz aufgenommen. Die Eigenschaften des Objektivs sollten zwar über den gesamten Entfernungsbereich vom Mindestabstand bis Unendlich ziemlich gleich bleiben, aber es gibt keine Garantie dafür. Ein Beispiel ist das EF 70-300mm f/4-5.6 IS II USM von Canon, dass Ende 2016 auf den Markt kam. Es wurde in einigen Testberichten abgewertet, weil es "am kurzen Ende", von 70mm bis etwa 100mm, zum Rand hin einen deutlichen Schärfeabfall zeigt. Das ist auf Testbildern klar zu sehen. Gleichzeitig erschienen Berichte von Fotografen, die das Objektiv im praktischen Einsatz getestet hatten und ihm eine sehr gute Leistung bescheinigten. Wie kann das sein? Die Linse zeigt im Nahbereich tatsächlich eine Schwäche, die aber schon bei mittlerer Entfernung verschwindet und in der Nähe von Unendlich praktisch nicht mehr sichtbar ist. Testcharts bilden also nicht unvedingt die Wirklichkeit ab und sollten deshalb nicht das alleinige Kriterium sein.

 

Zoom oder Festbrennweite? Lange galten Zoomobjektive, also solche mit veränderbarer Brennweite, als qualitativ schlecht. Tatsächlich ist eine gut konstruierte Festbrennweite einem Zoom in der Bildqualität prinzipbedingt immer überlegen. Allerdings haben die Zooms mittlerweile stark aufgeholt und sind oft so gut, dass der Unterschied kaum noch auffällt und sie auch profitauglich sind. Kits werden meistens mit einem Standard-Zoom ausgestattet und viele Fotofreunde sind damit lange zufrieden. Ein Fotograf, der auch Kurse gibt, gab aber mal diesen Tipp: Wenn ihr fotografieren lernen wollt, dann fangt mit einer (evtl. zwei) Festbrennweite an. Dadurch seid ihr gezwungen, euch intensiver mit dem Motiv zu beschäftigen und euch den Bildaufbau zu erarbeiten.
In der Tat lässt sich der überwiegende teil der Aufnahmen mit einer Standardbrennweite machen. Ich habe in meiner Anfangszeit lange nur mit einem 50mm-Objektiv fotografiert. Das war der Standard für Kleinbild, heute Vollformat. An Crop-Kameras entspricht das etwa 31-33mm. Das genügte für mindestens 80% der Fälle. Später kam ein 28mm Weitwinkel hinzu.
Viele Anwender sind glücklich mit einem Super-Zoom (von engagierten Fotografen gerne als "Suppenzoom" verspottet, von den Herstellern freundlich als "Reisezoom" bezeichnet), das vom guten Weitwinkel bis zum kräftigen Tele alles abdeckt. Das ist praktisch und hat seine Berechtigung, wenn die Umstände einen Objektivwechsel nicht zulassen oder Platz und Gewicht gespart werden muss. Ihr müsst euch aber darüber im Klaren sein, dass die Konstrukteure umso größere Kompromisse eingehen müssen, je größer der Zoombereich ist (das Verhältnis von maximaler zu minimaler Brennweite). Das schlägt sich natürlich in der optischen Leistung nieder. Ich halte deshalb eine Aufteilung in mehrere Brennweitenbereiche für sinnvoller. Und der Sinn und Vorteil einer Systemkamera liegt ja gerade darin, dass man die Optik der Anforderung entsprechend wechseln kann.

Es ist also doch einiges an Überlegungen und Vorbereitungen notwendig, bevor ihr die ersten tollen Fotos schießen könnt. Aber es ist besser, sich damit zu befassen, als nachher enttäuscht zu sein. Ihr geht ja auch nicht auf eine Wanderung durch die Wildnis ohne passende Ausrüstung und gute, bequeme Schuhe, oder?