Darf ein Linken-Politiker wie Bodo Ramelow Ministerpräsident in Thüringen werden? Bundespräsident Joachim Gauck stellt das in Frage und bekommt naturgemäß viel Zustimmung aus dem konservativen Lager. Dabei wäre es das Ergebnis einer demokratischen Wahl und ordentlicher Koalitionsverhandlungen. Doch ist Die Linke wirklich regierungsfähig? Von vielen wird sie noch immer als Nachfolgeorganisation der SED angesehen und gilt somit als tabu. "Liebe Ossis, ihr dürft jetzt frei wählen, aber bitte nur die Parteien, die uns zusagen!" Was ist das für ein Verständnis von Demokratie?

Sicher, in der Linkspartei gibt es von der Basis bis zur Spitze noch genügend Mitglieder, die der SED entstammen, die der DDR nachtrauern, die sagen, Stalin sei nicht so schlecht und die Mauer nur ein notwendiges Übel gewesen. Daraus spricht pure Menschenverachtung. Sozialismus ist eben nicht unbedingt sozial. Aber es gibt auch genügend Realisten mit vernünftigen, pragmatischen Denkansätzen und Ideen. Die brauchen wir als Gegengewicht zu einer von Wirtschaft und Lobbyisten indoktrinierten Union.

Die Linke ist bisher vor allem als "Dagegen-Partei" bekannt, als Opposition, die aus Prinzip gegen alles ist, wofür andere sind und nur selten konstruktive Vorschläge einbringt. Nun hätte sie die Gelegenheit, einmal zu zeigen, dass sie auch regieren und etwas besser machen kann. Diese Chance sollten wir ihr trotz allem geben. Durch ewige Ausgrenzung werden nur die Extremisten gestärkt.

Die vollständige Abgrenzung zum von der SED verübten Unrecht mag noch nicht gelungen sein, doch auch CDU/CSU durften Ministerpräsidenten und Kanzler stellen, obwohl sie nach dem Krieg heimatlos gewordenen Altnazis Unterschlupf boten. Unsere Demokratie hat das ausgehalten und sie wird auch einen dunkelroten Ministerpräsidenten in Thüringen aushalten, ein Bundesland, in dem es die CDU 24 Jahre lang nicht geschafft hat, den Rechtsextremisten Einhalt zu gebieten.