Mit der EOS 40D hat Canon schon vor Jahren die Option "Tonwertpriorität" eingeführt, die seitdem in allen neu erschienenen Kameramodellen enthalten ist und unter den Bildeinstellungen aktiviert werden kann (im Display = "D+"). Da Canon die Funktion nicht im Detail, sondern nur eher allgemein erläutert, gibt es im Internet reichlich Spekulationen und Thesen dazu. Oft sind sie falsch, und sogar in einem Buch zu einer Kamera fand ich eine falsche Information dazu.
Die wichtigsten Fragen sind sicher: Was bewirkt diese Option, wie sinnvoll ist sie, wie wirkt sie sich auf RAW-Aufnahmen aus? Die Antworten dazu in aller Kürze vorab:
> Nein, es ist keine einfache Unterbelichtung um eine Stufe wie bei einer manuellen Belichtungskorrektur, sondern sie betrifft nur die Lichter, in denen die Zeichnung etwas verbessert wird.
> Ansichtssache, in hellen Umgebungen mit starken Kontrasten kann sie etwas mehr Details erhalten, in dunklen Situationen würde ich sie ausschalten. Ob sie besser funktioniert als die Lichterkorrektur in der Nachbearbeitung muss noch erforscht werden. Theoretisch müsste das so sein, denn:


> Ja, sie verändert auch RAW-Dateien! Siw greift bereits am Sensor ein und nicht erst bei den aufbereiteten Daten. Die Tonwertpriorität ist nicht zu verwechseln mit der automatischen Belichtungsoptimierung, die nur auf JPEG wirkt.

Hier zwei Beispielbilder, fotografisch sicher keine Highlights, aber sie zeigen zwei wesentliche Dinge. Die Ansicht stammt aus dem RAW-Konverter, beide Aufnahmen sind unbearbeitet. Links ist D+ ausgeschaltet, die Belichtung erfolgte mit ISO100 und 1/125s. Die kleinen roten Flecken in den Wolken kommen von der Überbelichtungswarnung des Konverters. Rechts eine Aufnahme mit aktiviertem D+. Die Belichtung hat sich nun auf ISO200 und 1/250s geändert. Die Überbelichtungswarnung spricht nicht mehr an. Wir erkennen daraus zweierlei: Mit D+ werden die Lichter etwas reduziert und die mittleren Bereiche sowie die Schatten bleiben unverändert. Bei einer einfachen Unterbelichtung wäre das gesamte Bild dunkler geworden.

 

 

Die Wirkung ist hier nicht dramatisch, die Funktion greift sanft ein. Tatsächlich wird die Spitzlichtkorrektur auch nur bei Bedarf wirksam und nur so viel wie notwendig. Dabei ist die Wirkung auf maximal eine Blendenstufe begrenzt. Canon erreicht damit eine kleine Erweiterung des Dynamikumfangs der Kamera, daher wohl auch das Kürzel "D+".
In einer Anleitung heißt es: "Die Detailschärfe in hellen Bereichen wird verbessert. Der Dynamikumfang wird vom Standardwert 18% Grau auf helle Tonwerte erweitert. Die Gradation zwischen den Grautönen und den Lichtern wird weicher." Im Digital Learning Center findet sich zudem ein kleiner Hibweis, dass die TP auch für RAW-Fotografen nützlich sein kann, insbesondere bei der Verwendung von Canons DPP. Auch dort kann man die Funktion nicht mehr nachträglich deaktivieren. Im Wesentlichen werden also die helle Bereiche bei Bedarf leicht unterbelichtet, die anderen Bereiche normal. Das wird durch eine Verschiebung der ISO-Werte (also der Signalverstärkung) erzielt. Daher steht der unterste ISO-Wert mit TP nicht zur Verfügung. Wie die Seite "web-done.de" in einem Gespräch mit dem Canon Professional Service darüber hinaus erfuhr, werden auch die Farbkanäle Rot/Blau und Grün etwas unterschiedlich behandelt (in den Lichtern wird Grün etwas verstärkt, in den Schatten Rot und Blau). Die TP-Funktion ist also komplexer als von den meisten angenommen.

Die TP-Option kann zu etwas mehr Bildrauschen führen, da die Mitten und Tiefen eines Bildes immer mit einem um eine Stufe erhöhten ISO-Wert belichtet werden. Bei hohen ISO-Werten kann es also besser sein, die Tonwertpriorität zu deaktivieren. Bei niedrigeren Werten sollten aktuelle Kameras keine großen Probleme haben.

Ob die Tonwertpriorität nun Sinn macht oder nicht, kann ich für mich noch nicht abschließend sagen. Es sieht zumindest so aus, als könnten gute RAW-Konverter in der Nachbearbeitung dasselbe leisten. Die Theorie spricht natürlich dagegen. Was im Bild nicht enthalten ist, kann auch in der besten Nachbearbeitung nicht mehr herausgeholt werden. Wenn D+ also von vornherein das Ausbrennen der Lichter reduziert, dann steht auch in der Nachbearbeitung mehr Bildinformation zur Verfügung als ohne TP. Vielleicht gelingt mir eines Tages ein geeignetes Testfoto.