Raumschiff Erde sendet SOS

Das Weltall ist unvorstellbar groß. Reisen zu anderen Sternen würden nach menschlichen Maßstäben Ewigkeiten dauern und ob es dort Lebensraum für uns gibt, ist ungewiss. Der bisher nächstgelegene erdähnliche Planet ist etwa 20 Lichtjahre entfernt. Galaktisch gesehen ein kleiner Steinwurf, für uns kaum erreichbar. Ein Raumschiff, dass eine Reisegeschwindigkeit von einem zehntel der Lichtgeschwindigkeit erreichen könnte, wäre rund 200 Jahre unterwegs. Science-Fiction-Autoren und auch ernsthafte Wissenschaftler haben dafür so genannte "Generationen-Schiffe" vorgeschlagen. Das sind riesige Raumschiffe mit einer ausreichend großen Besatzung und der Möglichkeit, sich selbst zu versorgen. Sie würden unterwegs Nachkommen haben, die die vorherigen Generationen ablösten und das Schiff schließlich ans Ziel bringen. Energievorräte würden vor allem benötigt, um die technischen Systeme und die Nahrungsmittelproduktion am Laufen zu halten. Es liegt auf der Hand, dass die Besatzung eine gewisse Kopfzahl nicht übersteigen darf und das mit den vorhandenen Ressourcen sehr sorgfältig umgegangen werden muss.

Ein solches Generationen-Schiff ist auch unsere Erde. Es ist nur noch größer, wir können seinen Kurs durch das Weltall nicht beeinflussen und wir haben den Vorteil einer externen Energiequelle, unsere Sonne. Davon abgesehen unterliegen wir den selben Einschränkungen, auch wenn wir es nicht auf Anhieb bemerken. Unsere Vorräte scheinen viel größer zu sein als die des Raumschiffs, und doch sind auch sie endlich. Eines Tages werden viele Ressourcen aufgebraucht sein und es gibt keine Hoffnung, dass wir in absehbarer Zeit eine neue Welt erreichen, aus der wir unsere Vorräte wieder auffüllen könnten.

Es ist schwer vorstellbar, dass die schier unerschöpflichen Vorräte unseres Planeten eines Tages aufgebraucht sein sollen, und doch wird es einmal so sein, noch dazu früher, als wir ahnen. In den letzten 200 Jahren ist die Bevölkerung der Erde dramatisch angestiegen - um 1800 gab es etwa eine Milliarde Menschen, 2012 werden wir die 7-Milliarden-Marke überschreiten. Der Verbrauch an Rohstoffen ist noch weitaus schneller angestiegen. Forscher gehen davon aus, dass sich die Weltbevölkerung bei 9 bis 11 Milliarden stabilisieren wird. Wie sich in den Industrieländern zeigt, führt wachsender Wohlstand zu einer niedrigeren Geburtenrate.

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Moderne Technik und wachsender Wohlstand auch in den Schwellenländern haben den Ressourcenhunger überproportional vergrößert. Noch innerhalb dieses Jahrhunderts wird es erste Engpässe geben, nicht nur bei Öl und Gas sondern auch bei einigen Metallen. Bis zum Ende des Jahrhunderts kommen Produkte hinzu, die wir noch gar nicht auf der Rechnung haben wie Uran oder Eisenerz. Auch einige "seltene Erden", die zur Stahlveredelung benötigt werden, werden knapp werden. Und: Bei den heute angenommenen Verbräuchen ist der zunehmende Bedarf von Schwellenländern wie Indien oder China noch nicht voll berücksichtigt.

Natürlich gibt es neben den bekannten und gesicherten Reserven auch noch vermutete Vorkommen, die sogar sehr viel größer sein können. Doch die sind oft in tieferen Schichten der Erde verborgen, so dass der Abbau entsprechend schwierig und teuer, wenn nicht gar unmöglich wird. Auch diese Reserven werden eines Tages aufgebraucht sein. Es ist klar. Wir leben heute auf Kosten zukünftiger Generationen. Was wir heute verbrauchen, steht unseren Enkeln und Urenkeln nicht mehr zur Verfügung. Wir müssen also dringend darüber nachdenken, wie wir unsere Lebensgewohnheiten so umstellen können, dass spätere Geschichtsbücher über uns nicht schreiben, wir seien diejenigen gewesen, die ihren Nachkommen den Boden unter den Füßen weggezogen haben.

Dazu ist eine langfristige Planung und Strategie notwendig. Doch gerade damit tut sich der Mensch besonders schwer. Wir haben im Laufe der Evolution noch nicht gelernt, langfristig zu denken, das heisst, mehr als einige wenige jahre im Voraus. Wir leben lieber im Heute und nach dem Motto "nach uns die Sintflut". Der Kabarettist Georg Schramm hat dazu formuliert: "Vonwegen nach uns die Sintflut wir sind die Sintflut!" Wenn es bis heute gereicht hat, dann wird es auch noch länger reichen...

Natürlich werden die verschiedenen Rohstoffe nicht schlagartig zur Neige gehen und es werden auch immer noch neue Vorkommen entdeckt. Das nehmen viele Menschen zum Anlass, alle Prognosen anzuzweifeln und Politik und Wirtschaft Panikmache und Preistreiberei unterstellen. Wir dürfen dabei ein paar Dinge nicht außer acht lassen:

Die neu entdeckten Rohstoffquellen werden immer schwieriger auszubeuten sein, damit sind Preissteigerungen unausweichlich. Ein Teil der Vorkommen wird unerreichbar bleiben. Technologische Fortschritte ermöglichen es, auch Erzvorkommen mit geringerem Metallgehalt noch wirtschaftlich abzubauen. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass diese Gehalte immer geringer werden.

 

Wir haben uns daran gewöhnt zu glauben, dass unsere Wirtschaften, unsere Technologien und letztlich unser Wohlstand immer weiter wachsen können und werden. Doch in einem endlichen System, wie es die Erde trotz ihrer Größe nun einmal ist, kann es kein unendliches Wachstum geben. Es gibt eine natürliche Grenze und wir sind dabei, diese zu erreichen. Wir können sie etwas hinausschieben, aber nicht überwinden. Es bleibt uns nur, rechtzeitig die Richtung zu ändern.

Der "Club of Rome" hat schon 1972 eine Studie veröffentlicht, in der vor den möglichen, dramatischen Folgen des zunehmenden Rohstoff-Verbrauchs und des Bevölkerungswachstums gewarnt wurde. Unter der Überschrift "Die Grenzen des Wachstums" wurde darauf hingewiesen, dass die Ressourcen unseres Planeten endlich sind und das ein rechtzeitiges Umdenken notwendig sein wird. Von Vielen wurde die Botschaft zunächst so interpretiert, dass schon in wenigen Jahren mit einem Zusammenbruch unserer Zivilisation zu rechnen sei. Als in den 80er Jahren aber immer noch alle Rohstoffe, Energieträger und Nahrungsmittel zur Verfügung standen, wurde der Club of Rome als eine Gruppe von Panik verbreitenden, ahnungslosen Wissenschaftlern hingestellt, die nur persönliche Aufmerksamkeit erregen wollten. Zur Jahrtausendwende stellte eine "seriöse" Zeitschrift fest, dass nichts von den Prognosen eingetreten sei, verspottete die Forscher und erklärte solcherlei Prognosen zu Unfug.
Dabei wurde etwas Wesentliches übersehen oder ignoriert. Prognosen führen einen aktuellen Trend in die Zukunft fort. Sie sind nicht als absolute Vorhersage zu sehen, sondern gelten unter der Bedingung, dass sich am momentanen Verhalten von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nichts ändert. So ist die Aussage aus "Die Grenzen des Wachstums" so zu verstehen: Es werden wahrscheinlich große Probleme und Herausforderungen auf die Menschheit zukommen, wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern. Zudem lautete die Vorhersage nicht "in wenigen Jahren wird es Engpässe geben", sondern "in 50 bis 100 Jahren kann es zu Engpässen und daraus resultierend zu gesellschaftlichen Verwerfungen kommen." Das ist ein großer Unterschied. Die prophezeiten Katastrophen sollten noch gar nicht eingetreten sein, aber wir haben immerhin schon fast 40 Jahre Zeit ungenutzt verstreichen lassen, um sie noch abwenden zu können.
2004 hat der Club ein "30-Jahres-Update" seiner ersten Einschätzungen veröffentlicht ("Die neuen Grenzen des Wachstums") und aus diesem Anlass einmal die 72er Prognosen für das Jahr 2000 mit der eingetretenen Wirklichkeit verglichen. Es stellte sich heraus, dass die Vorhersagen hinsichtlich Bevölkerungsentwicklung, Ressourcenverbrauch und Nahrungsmittelproduktion erstaunlich gut zutrafen.

Wie real einzelne Aspekte der Vorhersagen von Zukunftsforschern sind, kann jeder selber sehen. Den ersten Krieg um Erdöl haben wir schon erlebt, es wird nicht der letzte sein. In einigen Regionen der Erde zeichnen sich Konflikte um sauberes Wasser ab. Auch um andere Rohstoffe könnte es Verteilungskämpfe geben. Während in Europa und Nordamerika noch vom grenzenlosen, ewigen Wachstum geträumt wird, kaufen sich chinesiche Staatsunternehmen in Rohstofflieferanten in Australien, Südamerika und Afrika ein, um sich den Zugriff zu sichern und bei den Preisen mitreden zu können.

Doch nicht nur metallische und fossile Rohstoffe werden knapper. Auch lebende "Rohstoffe" sind betroffen. Die scheinbar unendlichen Ozeane werden leergefischt. Viele Arten, die uns von zahlreichen Fertiggerichten vertraut sind, sind ernsthaft bedroht. Zuchtfarmen, auch Aquakultur genannt, bringen wenig Entlastung. Die größeren Arten werden mit kleineren Fischen gemästet und die kommen wiederum aus dem freien Meer. In ärmeren Ländern leidet die Küstenbevölkerung Hunger, weil die schwimmenden Fischfabriken vor der Küste die Gewässer leerfischen. Sinkt ein Fischbestand unter eine bestimmte kritische Größe, wird er sich auch nicht mehr erholen.
An anderer Stelle werden Wälder, vor allem Regenwälder, abgeholzt um Platz für Ölpalm-Plantagen oder Weideflächen zu schaffen. das wiederum hat gravierende Auswirkungen auf das lokale Klima und die Wasserverteilung und damit mittelfristig auf die gesamte Nahrungsmittel-Produktion. Es gibt bereits Beispiele dafür, dass Großplantagen und Monokulturen nicht dauerhaft bestehen können, sondern nach einigen Jahren erodiertes Brachland hinterlassen.

Das alles macht deutlich, dass unser Raumschiff auf die Dauer nur eine begrenzte Anzahl an Passagieren mitnehmen kann. Weder Nahrungsmittel- noch Energieerzeugung lassen sich beliebig steigern. Auch die Wirtschaft kann nicht ewig nur wachsen. Das nächste Zeitalter wird ein Zeitalter der Nachhaltigkeit und des Recycling werden müssen.
Schon beim heutigen Stand der Weltbevölkerung und der Ressourcenverbräuche bräuchten wir wenigstens zwei Erden, wenn alle Menschen etwa auf dem NIveau eines deutschen Hartz IV-Empfängers leben können sollen. Um den Lebensstandard eines durchschnittlichen Mitteleuropäers für alle zu gewährleisten, müssten es sogar vier Planeten sein. Wir haben aber nur diese eine und wir können auch nicht mal eben umsteigen. Die große Mehrheit der Mitreisenden hofft darauf, dass sich irgendwo doch noch bisher unentdeckte Bodenschätze gefunden werden und neue Technologien entwickelt werden, die die heutigen Grenzen des Systems weiter hinausschieben. Es ist möglich, dass das eintritt. Es ist aber auch möglich, dass diese Entwicklungen zu spät kommen und vor allem: es würde nichts an der Endlichkeit des Systems ändern.Es ist offensichtlich, dass wir einige Einstellungen und Verhaltensweisen überdenken müssen, auch wenn es unbequem ist und vielleicht sogar Verzicht bedeutet. Unzählige Generationen vor uns haben große Anstrengungen vollbracht und nach dem Motte gelebt und gearbeitet "unsere Kinder sollen es einmal beser haben." Die heutige Eltern-Generation lebt eher nach dem Prinzip "Hauptsache, uns geht es gut und die Kinder sollen selber sehen, wie sie zurecht kommen."


Daraus ergibt sich also, dass wir Bürger aus der ersten Welt entweder auf einen guten Teil unseres Wohlstandes verzichten müssen oder die globale Bevölkerung deutlich reduzieren müssen, um ein längerfristiges Überleben zu sichern. Damit aber laufen wir in ein gewaltiges ethisches und moralisches Dilemma. Kann und darf man einen guten Teil der Menschheit zwingen, auf den erarbeiteten Wohlstand und dessen Annehmlichkeiten zu verzichten, damit es anderen besser geht? Darf man diejenigen, die das Pech hatten, in einem weniger entwickelten teil der Welt geboren zu werden, von einem höheren Wohlstandsniveau ausschließen? Kann man einfach verfügen, dass Geburtenraten so begrenzt werden müssen, dass nach einiger Zeit eine bestimmte, erträgliche Bevölkerungszahl erreicht wird (mal abgesehen von den fatalen Folgen für die Sozialversicherungen)?